Pretziener Wehr wird Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst

Das an der Elbe gelegene Pretziener Wehr wird im Rahmen des Tags der Ingenieure Sachsen-Anhalt am 18. Juni 2015 mit dem Titel Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet. Das bedeutende Wasserbauwerk erhält diese Auszeichnung als erstes Bauwerk in Sachsen-Anhalt. Direkt am Wehr wird während des Festakts um 12:15 Uhr die Ehrentafel enthüllt. Im Anschluss findet ein Schauziehen des Wehrs statt.

Das etwa 7 km nordöstlich von Schönebeck (Elbe) zwischen Pretzien und Ranies gelegene Wehr wurde zwischen 1871 und 1875 erbaut. Damals war es das größte Schützenwehr Europas. Zusammen mit dem fast zeitgleich errichteten 21 Kilometer langen Elbeumflutkanal schützt es bis heute bei Hochwasser Magdeburg und zahlreiche weitere Gemeinden vor Überschwemmungen. Es wird mit dem Titel Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet, weil es technisch und gestalterisch ein herausragendes Beispiel für die Ingenieurbaukunst des 19. Jahrhunderts ist.

Das Pretziener Wehr ist ein sog. Schütztafelwehr. Die Länge des Überbaus beträgt 163,48 m. Es hat eine Breite von 7,83 m und auf der Unterwasserseite eine Pfeilerhöhe von 7,95 m über dem Sturzbett. Es hat acht Pfeiler und zwei Widerlager, dazwischen neun Jochöffnungen mit einer Durchflussbreite von je 12,64 m. Das sogenannte Grieswerk eines Jochs besteht aus acht Losständern und zwei Griespfeilern, also neun Öffnungen. In jeder Öffnung werden vier Wehrtafeln eingesetzt, je Joch also 36 Stück. Die insgesamt 324 Schütztafeln wiegen jeweils 100 kg. Sie sind 1,31 m breit und 0,83 m hoch. Die Baukosten beliefen sich seinerzeit auf immerhin 4,4 Mio. Mark. Bekannt ist auch, dass am Bau des Wehres und des Elbeumflutkanals ca. 3.000 Gefangene aus dem deutsch-französischen Krieg sowie norditalienische „Erdarbeiter“ beteiligt waren. Nach dem verheerenden Hochwasser von 1876 wurde das Wehr bis 1883 erstmals umgebaut. Es erfüllt bis heute seine Aufgabe. Bislang wurde es fast siebzig Mal gezogen.

Der erste Entwurf für das Pretziener Wehr stammte von Hermann Wurffbain (1805-1889). Am Entwurf beteiligt war auch ein Ingenieur namens Rust, über den jedoch nichts Näheres bekannt ist. Hermann Wurffbain, der auch die Bauleitung innehatte, war ein sehr bedeutender Wasserbauingenieur des 19. Jahrhunderts. Über ihn ist bekannt, dass der preußische König Friedrich Wilhelm IV. ihn 1853 im Schloss Charlottenburg empfing, um sich aus erster Hand über dessen Arbeiten in Westfalen informieren zu lassen. 1877 – zwei Jahre nach Fertigstellung des Pretziener Wehrs – erhielt Wurffbain für seine Verdienste den Königlich-preußischen Kronenorden II. Klasse. Darüber hinaus wurde er auch zum Ehrenbürger der thüringischen Stadt Arnstadt ernannt.

Dem Pretziener Wehr und seinen Erbauern ist eine 120-seitige, reich illustrierte Publikation gewidmet, die als Band 17 der Schriftenreihe zu den Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland erscheint. Mit dem Buch stellt der Hamburger Journalist Sven Bardua die Geschichte des Wehrs und des Baus des Elbeumflutkanals erstmals umfassend dar. Das Buch kann zum Preis von 9,80 Euro im Internet unter www.bingk.de/order-hw oder telefonisch bei der Bundesingenieurkammer (030-2589 88 224) sowie im Buchhandel (ISBN 978-3-941867-19-2) bestellt werden. Rezensionsexemplare können über die o. g. Telefonnummer angefordert werden.

Die Bundesingenieurkammer ehrt seit 2007 auf Vorschlag eines wissenschaftlichen Beirats historisch bedeutende Ingenieurbauwerke mit dem Titel Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland. Auszeichnungswürdige  Bauwerke müssen sich auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland befinden und älter als 50 Jahre sein. Insgesamt gibt es bundesweit 17 ausgezeichnete Bauwerke. Die Auszeichnungen werden vom gemeinnützigen Förderverein Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland e. V. und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unterstützt.