1954/55 nahe der Grenze zu Frankreich errichtet, ist die mehr als 80 m weit gespannte Dachschale der Sendehalle von Radio Europe 1 im saarländischen Berus mit den Namen der beiden bedeutendsten Persönlichkeiten des französischen Schalenbaus verbunden. In ihrer Geschichte liegen Erfolg und Scheitern nah beieinander.
Die von Bernard Laffaille konzipierte, nur 5 cm dicke erste Schale zerriss noch in der Bauphase beim Aufbringen der Vorspannung. Mit deutlichen Modifikationen konnte das kühne Tragwerk unter der Verantwortung von Eugène Freyssinet schließlich erfolgreich vollendet werden.
Doch auch dessen Konstruktion war mit Mängeln behaftet. Anfang der 1980er Jahre musste sie weitgehend ersetzt werden. Erst die dritte, von Pierre Xercavins konstruierte Hängeschale hat sich als tragsichere und dauerhafte Antwort auf die schwierigen geometrischen Randbedingungen erwiesen.
Gerade wegen ihrer dramatischen Baugeschichte ist die „Kathedrale der Wellen“ nicht nur ein faszinierendes, sondern auch facettenreiches Wahrzeichen hochmodernen Konstruierens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und sie steht eben auch für die Verführungskraft des Leitbilds absoluter Leichtigkeit und die verstörende Hybris, sich allzu sicher und frei von Fehlern zu wähnen.
Die Sendehalle von Radio Europe 1 in Berus wurde am 24. September 2021 in die Reihe der Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland aufgenommen.
Herzförmiger Grundriss mit einer Fläche von etwa 2.700 m², umschrieben durch ein Rechteck von etwa 86,50 x 46 m
Freitragende Dachschale als gegenläufig gekrümmte, transzendente Fläche mit geneigter Symmetrieachse
Neigung der Symmetrieachse: etwa 13 Prozent, von cirka 9,50 m auf der Vorderseite (West) auf ca. 4,50 m in der Herzspitze auf der Rückseite (Ost) abfallend
Hochpunkte der Dachschale an der Nord- und Südseite bei etwa 16 m
Die Schale eingehängt in zwei flach geneigte, räumlich gekrümmte Stahlbeton-Randbögen, spiegelgleich beidseits der Symmetrieachse
Ausführungen der Dachschale:
– 1. Fassung (1954): 5 cm tragender Beton, vorgespannt in Längsrichtung mit Freyssinet-Spanngliedern aus blechummantelten Parallel-Drahtbündeln, minimale schlaffe Bewehrung in Querrichtung, unterseitig 8 cm Wärmedämmung
– 2. Fassung (1955): 6 cm tragender Beton mit zusätzlich 3,5 cm starken Stegen, vorgespannt in Längsrichtung mit Freyssinet-Spanngliedern aus blechummantelten Parallel-Drahtbündeln, deutlich verstärkte schlaffe Bewehrung in Quer- und Längsrichtung, unterseitig 8 cm (beziehungsweise zwischen den Stegen 11,5 cm), Wärmedämmung
– 3. Fassung (1982): Freyssinet-Spannglieder aus verwundenen Drahtlitzen des Typs T15, gefettet in Plastikumhüllung, in Längsrichtung paarweise angeordnet und nun allein lastabtragend, darauf aufgesattelt die verbliebene, nicht mehr tragende Betonschicht, außenseitige Wärmedämmung
Sicherung der durch Druck und Biegung beanspruchten Randbögen durch sechs vorgespannte Zugbänder:
– 1. Fassung (1954): Zugbänder, nicht vorgespannt
– 2. Fassung (1955): Freyssinet-Spannglieder aus mehreren blechummantelten Parallel-Drahtbündeln, verpresst in einer äußeren Blechummantelung (Außendurchmesser ca. 200 mm)
– 3. Fassung (1982): Freyssinet-Spannglieder aus mehreren verwundenen Drahtlitzen des Typs T15, verpresst in einem doppelwandigen Stahlrohr mit 273 mm Außendurchmesser
Vertikaler Lastabtrag über 59, im Abstand von 3,40 m umlaufend angeordnete Stahlstützen auf Stahlbeton-Winkelstützwänden, sowie über die Stahlbeton-Bauteile der Horizontalaussteifung
Horizontalaussteifung durch einen V-förmigen Stahlbetonbock auf der Vorderseite sowie zwei massive Stahlbeton-Widerlager auf der Rückseite
Fassade nahezu vollflächig verglast
Beheizung allein durch die Abwärme der Sendeanlagen
Großflächig unterkellert
Auf der Rückseite angeschlossen ein eingeschossiger Flügelbau